Altes und neues Denken

Der Mensch ist ein auf der Erde inkarniertes geistiges Wesen. Ihm dienen während aller seiner Inkarnationen zwei Denkarten:

– das sinnliche, logische Denken (Kopf-Denken) für die erste Hälfte aller seiner Inkarnationen

– das überlogische, übersinnliche Denken (Herz-Denken) für die zweite Hälfte aller seiner Inkarnationen.

 

Das sinnliche Denken ist das seit Jahrtausenden vertraute Denken, das auf den Sinneswahrnehmungen basiert und von ihnen abhängig ist; in diesem Sinne ist es sinnlichkeitsgebunden.  Jeder kann dies selbst beim täglichen Einschlafen beobachten: unsere Sinnesorgane schalten sich ab, und folglich unsere äußeren und inneren Wahrnehmungen, dadurch schaltet sich gleichzeitig auch unser Denken ab.  Da unsere Sinnesorgane und Sinneswahrnehmungen durch das Gehirn gesteuert und koordiniert werden, wird dieses Denken »Kopf-Denken« genannt.

 

Das andere Denken funktioniert unabhängig von unseren Sinnesorganen und sinnlichen Wahrnehmungen und ist darum nicht abhängig von unserem Kopf.  Seine Tätigkeit erstreckt sich jenseits des alltäglichen Bewußtseins wie im Schlaf oder bei höheren Bewußtseinszuständen wie echte, tiefe Meditation, Koma oder Nah-Todes-Erfahrungen. Es ist inzwischen schulwissenschaftlich erwiesen, daß in solchen Zuständen Menschen eine andere Art von Wahrnehmen und Denken benutzen.  Bei der Rückkehr in das alltägliche Bewußtsein können sie diese jedoch nicht mehr benutzen, sondern müssen das in höherem Bewußtsein Erlebte irgendwie in das gewöhnliche Denken und in die gewöhnliche Sprache übersetzen.

 

Mit Blick auf die Tatsache, daß in solchen Bewußtseinszuständen der denkende Kopf ausgeschaltet wird, das Herz aber tätig bleibt, hat Steiner dieses andere Denken »Herz-Denken« wie auch »sinnlichkeitsfrei« (1), »rein« (2), »übersinnlich« (3) und »über-logisch« (4) genannt, weil es unabhängig von den Sinnesorganen tätig ist, bzw. weil es sich einer höheren »Logik« als der gewöhnlichen bedient.  Das Herz-Denken pulsiert rhythmisch-lebendig durch die ganze menschliche Aura.  In diesem Sinne kann man es als »Aura-Denken« bezeichnen, weil man mit der ganzen Aura mitschwingend denkt; oder auch »ätherisches Denken« (5), weil es aus dem Ätherleib und dessen Hauptorgan, dem Herz-Chakra, entspringt.  Und weil es ab unserem Zeitalter das normale Denken sein wird, hat Rudolf Steiner es auch das »moderne Denken«(6) genannt.

 

In unserer kulturellen Tradition der biblischen Paradiesgeschichte wird das Kopf-Denken durch den »Baum der Erkenntnis des Guten und Schlechten« und das Herz-Denken durch den »Baum des Lebens« symbolisiert.  Das erste Denken einverleibte sich der Mensch, als er den Apfel vom Baum der Erkenntnis aß; das lebendige Herz-Denken wurde von Christus beim Mysterium von Golgatha in den Erdenbereich gebracht; er hat es bei der Kreuzigung in die Menschenseele eingepflanzt.  Darum hat Rudolf Steiner dieses Denken auch »Christus-Denken« (7) und »Sprache Christi« (8) genannt.  Es ist das rein geistige Denken der Höheren Wesenheiten, das kosmische Denken, welches im Laufe der Menschheitsentwicklung zum normalen Denken des Menschen werden wird – genauso wie das Kopf-Denken das normale Denken war vom Anbeginn unserer Inkarnationen bis in unsere Zeit.  Die oben zitierten Bezeichnungen für das neue Denken beinhalten dessen drei Stufen »Imagination«, »Inspiration« und »Intuition«, die Steiner erstmals 1905 als solche bezeichnet hat.(9)  ——  Im Altgriechischen heißt Christus Christos.  Dessen ersten Buchstaben X (klein geschrieben, gesprochen »ch«) habe ich aus den hier erwähnten Gründen für die Code-X Ausgabe gewählt. Auch weist dieser laut als »ch«, »k« oder »q« in verschiedenen esoterischen Traditionen auf rein geistige Energie hin wie z. B. Q im chinesischen Qi, K in der indischen Kundalini, Ch oder K im Altägyptischen Chepre bzw. Ka, Q im aztekischen Quetzalcoatl oder K in Kulkulcan bei den Mayas.

 

In den Seelentiefen, im Menschenherzen »schlief« das Christus-Denken für fast zwei Jahrtausende …  Während dieser langen Zeit wurde es von den Menschen nur im Unterbewußtsein erlebt, und von großen Mystikern, wie Meister Eckhart und Angelus Silesius, oder Künstlern wie Michelangelo und Raffael, als mystische bzw. künstlerische Inspiration in die Welt gebracht.  Dann, am Ende des 19. Jahrhunderts, hat Rudolf Steiner dieses Denken in sich zu wachem Bewußtsein erweckt und es in seinem gesamten Schaffen konsequent angewendet.

 

Die erstmalig durchgängig bewußte Anwendung des Herz-Denkens durch Steiner markiert geistig das Ende der ersten Hälfte der Menschheits-Entwicklung und zugleich den Beginn des Neuen Zeitalters, des New-Age.  Seitdem ist das Herz-Denken tatsächlich keimhaft zum normalen Denken geworden.  Da aber die Durchsetzung jeder neuen Norm in einem historischen Prozeß verläuft, wird es selbstverständlich eine lange Zeit dauern, bis das Herz-Denken für jeden Einzelnen zum normalen Denken wird.

 

Quellennachweis:

1   GA 13   S. 1, 340;  GA 53   S. 336

2   GA 4     S. 153       GA 13   S. 144

3   GA 10   S. 220       GA 13   S. 144    GA 18  S. 236   GA 35 S. 401   GA 58  S. 124

4   GA 205 S. 146       GA 342 S. 150

5   GA 169 S. 139       GA 176 S. 35       GA 350 S. 150

6   GA 131 S. 145

7   GA 117 S. 32          GA 129 S. 119

8   GA 169 S. 176

9   GA 12   S. 16          GA 13   S. 26, 405 GA 199 S. 52  GA 227 S. 66